Ausreichende Jodversorgung in Schwangerschaft und Stillzeit – nicht ohne Jodsalz und Supplemente 

Britische und kanadische Studie auch für Deutschland von Bedeutung 

Frankfurt, 10.06.2025 In Ländern mit obligater Salzjodierung und gezielter Jodsupplementation vor, während und nach der Schwangerschaft lässt sich eine bedarfsgerechte Versorgung schwangerer und stillender Frauen sicherstellen, kaum jedoch in Ländern ohne gezielte Jodanreicherungsmaßnahmen. Das zeigen zwei aktuelle Studien aus Großbritannien und Kanada. Die ausreichende Jodversorgung und damit eine adäquate Produktion an Schilddrüsenhormonen sind für die fetale und frühkindliche Entwicklung essenziell. „Die Erkenntnisse beider Studien sind nur ein weiterer Beweis für die Notwendigkeit gezielter gesundheitspolitischer Maßnahmen, auch für Deutschland. Denn hier hat sich die Jodversorgung in vergangenen Jahren bis etwa 2018 erheblich verschlechtert“, sagt Prof. Dr. Thomas Remer, 2. Vorsitzender des Arbeitskreises Jodmangel e.V. (AKJ). Zwar lassen neuere Daten vermuten, dass der Negativtrend stagniert.1,2 Doch laut dem ehemaligen Leiter der Dortmunder DONALD-Studie der Universität Bonn heißt das allenfalls, dass sich die Versorgungslage nicht noch weiter verschlechtert hat – bedenklich bleibt sie dennoch. Bereits die länger zurückliegende DEGS-Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigte, dass rund 47 Prozent der 18- bis 29-jährigen und fast 40 Prozent der 30- bis 39-jährigen Frauen ein erhebliches Jodmangelrisiko aufweisen.3 

 
In Großbritannien untersuchten Pearce und Kollegen die Jodzufuhr bei Mutter-Säuglingspaaren, wobei mehr als 50 Prozent der Frauen voll stillten.4 Die geschätzte Jodzufuhr lag mit durchschnittlich 140 Mikrogramm pro Tag mehr als 100 Mikrogramm unter der Zufuhrempfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für stillende Mütter. Bei Berücksichtigung des geschätzten täglichen Jodbedarfs des Säuglings und dem daraus resultierenden Jodverlust der Mutter über die Muttermilch – rund 70 Mikrogramm täglich6,7 – wird deutlich: Sowohl die untersuchten Mütter als auch die Säuglinge sind oder waren einem Jodmangelrisiko ausgesetzt. Laut den Studienautoren ist diese ungünstige Versorgungslage in Großbritannien nachvollziehbar, da keine gezielte Jodanreicherung von Speisesalz erfolgt. Mütter mit einem insgesamt besseren, doch meist noch unzureichenden, Versorgungsstatus konsumierten laut Studie häufiger Seefisch, Eier, Kuhmilch und Joghurt, also wichtige Jodlieferanten. Gleichzeitig war ihr Verzehr an jodarmen pflanzlichen Milchalternativen geringer.5 „Veränderte Ernährungsgewohnheiten, wie zum Beispiel eine pflanzenbetontere Ernährung, tragen auch in Deutschland dazu bei, dass weniger jodreiche Lebensmittel auf dem Speiseplan stehen. Daher wird empfohlen, künftig auch pflanzenbasierte Milch- und Fleischersatzprodukte gezielt mit Jod anzureichern“, betont Prof. Remer. 

Kanada als mögliches Vorbild? 

Anders als in Großbritannien zeigen Frauen in Kanada eine deutlich bessere Jodversorgung. Dort wird Speisesalz obligat mit 76,5 Mikrogramm Jod pro Gramm angereichert.5 In Deutschland sind es lediglich 20 Mikrogramm pro Gramm, und das freiwillig. In der kanadischen Studie von Bertinato et al. konnte bei 99 Prozent der 500 untersuchten schwangeren Frauen eine ausreichende Jodzufuhr deutlich oberhalb des geschätzten mittleren Jodbedarfs (Estimated Average Requirement) nachgewiesen werden. Zu der sehr guten Versorgungslage trug auch die annähernd von allen Schwangeren mit Schwangerschaftseintritt begonnene oder zum Teil präkonzeptionelle Jodsupplementierung bei.5  

„Angesichts der insgesamt ungünstigen Jodversorgung in Deutschland ist davon auszugehen, dass anders als in Kanada zu viele werdende und stillende Mütter ihren Kindern keine ausreichenden Jodmengen bereitstellen können. Sofern sie nicht gezielt Jodsupplemente einnehmen“, erläutert Prof. Remer. Demnach sollte Frauen im gebärfähigen Alter empfohlen werden, bereits einige Monate vor der Konzeption sowie während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit kontinuierlich Jod zu supplementieren.8 Unabhängig von der Bedeutung der Jodsupplementation verdeutlichen die beiden Studien exemplarisch, wie wichtig eine möglichst umfassende oder sogar eine – wie von der WHO gefordert – universelle Jodierung von Salz sein kann. „Es ist unverständlich, dass in Deutschland trotz eindeutiger Datenlage und entsprechender Empfehlungen immer noch keine klaren Schritte unternommen wurden, um zumindest den definitiv zu niedrigen Jodierungsgrad von 20 Mikrogramm pro Gramm Speisesalz anzuheben“, resümiert Prof. Remer. 

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Quellen: 

  1. Remer T, Hua Y, Esche J, Thamm M. The DONALD study as a longitudinal sensor of nutritional developments: iodine and salt intake over more than 30 years in German children. Eur J Nutr. 2022 Jun;61(4):2143-2151. doi: 10.1007/s00394-022-02801-6. Epub 2022 Jan 18. PMID: 35043251; PMCID: PMC9106614. 
  1. Vogelgesang F und Thamm R. Schätzung der Jod- und Salzversorgung 2023 – Abschlussbericht. Abt. Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring; Robert Koch-Institut, Berlin https://service.ble.de/ptdb/index2.php?detail_id=92539757&ssk=PTDB-alles&site_key=141&zeilenzahl_zaehler=9245&NextRow=4240&pId=92539757&dId=119190877 
  1. Johner SA, Thamm M, Schmitz R, Remer T. Examination of iodine status in the German population: an example for methodological pitfalls of the current approach of iodine status assessment. Eur J Nutr. 2016 Apr;55(3):1275-82. doi: 10.1007/s00394-015-0941-y.  
  1. Pearce J, Christian J, Coneyworth LJ. Intake of iodine in a sample of UK mother-infant pairs, 6-12 months after birth: a cross-sectional study. Public Health Nutr. 2025 Mar 17;28(1):e61. doi: 10.1017/S1368980025000230. PMID: 40090854. 
  1. Bertinato J, Griffin P, Qiao C, Cavalcanti D, Ghesquière L, Bujold E. Iodine intakes of pregnant females from Québec, Canada. J Trace Elem Med Biol. 2025 Apr;88:127601. doi: 10.1016/j.jtemb.2025.127601. Epub 2025 Jan 17. PMID: 39847984. 
  1. Dold S, Zimmermann MB, Baumgartner J, Davaz T, Galetti V, Braegger C, Andersson M. A dose-response crossover iodine balance study to determine iodine requirements in early infancy. Am J Clin Nutr. 2016 Sep;104(3):620-8. doi: 10.3945/ajcn.116.134049. Epub 2016 Jul 27. PMID: 27465383. 
  1. Andersson M, Braegger CP. The Role of Iodine for Thyroid Function in Lactating Women and Infants. Endocr Rev. 2022 May 12;43(3):469-506. doi: 10.1210/endrev/bnab029 . PMID: 35552681; PMCID: PMC9113141. 
  1. Grossklaus R, Liesenkötter K-P, Doubek K, Völzke H, Gaertner R. Key Messages of the Iodine Deficiency Working Group (AKJ): Maternal Hypothyroxinemia Due to Iodine Deficiency and Endocrine Disruptors as Risks for Child Neurocognitive Development [Kernaussagen des Arbeitskreises Jodmangel e. V. (AKJ): mütterliche Hypothyroxinämie infolge von Jodmangel und endokrinen Disruptoren als Risiko für die kindliche neurokognitive Entwicklung]. Geburtsh Frauenheilk. 2025; 
    DOI 10.1055/a-2505-1944 Epub 2025 https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/html/10.1055/a-2505-1944 
  1. Bundesinstitut für Risikobewertung BfR. Rückläufige Jodzufuhr in der Bevölkerung: Modellszenarien zur Verbesserung der Jodaufnahme. 2021 DOI 10.17590/20210209-100743  https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/ruecklaeufige-jodzufuhr-in-der-bevoelkerung-modellszenarien-zur-verbesserung-der-jodaufnahme.pdf 

Abdruck honorarfrei / Beleg erbeten 

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