WHO-Bericht: Jodmangel in Europa weit verbreitet – auch in Deutschland
Wie die Jodmangelprophylaxe von einer Erfolgsgeschichte wieder zum Sorgenkind wird
Frankfurt, 01.07.2024 – Maßnahmen wie die Jodierung von Speisesalz und dessen Verwendung in der Lebensmittelproduktion konnten seit den 1980er Jahren die Jodversorgung deutlich verbessern. Jodmangelbedingte Erkrankungen wie Kröpfe oder Schilddrüsenunterfunktionen bei Neugeboren nahmen ab. Doch laut eines aktuellen Berichts der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Iodine Global Network (IGN) ist der Jodmangel in Europa wieder auf dem Vormarsch. „Dafür gibt es mehrere Gründe“, sagt Dr. Werner Schultink, geschäftsführender Direktor des IGN. „Dazu gehören veränderte Ernährungsgewohnheiten, unterschiedliche nationale Vorschriften für die Jodierung von Speisesalz und der abnehmende Einsatz von Jodsalz in der Lebensmittelproduktion. Aber auch ein mangelndes Bewusstsein für die Bedeutung einer ausreichenden Jodzufuhr für die Gesundheit stellt ein Problem dar. Das trifft nicht nur auf die Verbraucherinnen und Verbraucher zu, sondern zu Teilen auch auf Fachkreise, die Lebensmittelwirtschaft und Politik.“ All dies trägt dazu bei, dass die bisherigen Fortschritte ins Stocken geraten oder in einigen Ländern sogar rückläufig sind.
Folgen und Kosten des Jodmangels
„Das gilt auch für Deutschland“, mahnt Professor Dr. Roland Gärtner, 1. Vorsitzender des Arbeitskreises Jodmangel e.V. (AKJ). „Hierzulande beobachten wir seit einigen Jahren solch einen Negativtrend. Die letzten Erhebungen des Robert Koch-Instituts haben gezeigt, dass knapp 30 Prozent der Erwachsenen und 44 Prozent der Kinder und Jugendlichen ein erhöhtes Jodmangelrisiko besitzen“, so der Endokrinologe aus München weiter. Schon ein leichter Jodmangel kann erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit einer Bevölkerung haben – begonnen bei einer beeinträchtigten Gehirnentwicklung bei Kindern bis hin zu einem steigenden Risiko für Schilddrüsenvergrößerungen und -knoten sowie Funktionsstörungen bei Erwachsenen. Die Folgen und Behandlung der jodmangelbedingten Erkrankungen führen langfristig zu erheblichen wirtschaftlichen Kosten. „Nun kommt es darauf an, das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Jodmangelprophylaxe zu schärfen und die erforderlichen Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene zu stärken. Nur so kann der aktuelle Negativtrend gestoppt und die Jodversorgung langfristig verbessert werden“, appelliert Gärtner.
Neue Ernährungsgewohnheiten erfordern Umdenken
„Die zentrale Strategie, Speisesalz mit Jod anzureichern und damit den Jodmangel zu bekämpfen, wurde von vielen Ländern in Europa und weltweit umgesetzt und ist global betrachtet eine echte Erfolgsgeschichte“, erklärt Schultink. „Über die Jahrzehnte wurden jodmangelbedingte Erkrankungen wie Kröpfe, Schilddrüsenunterfunktionen und Kretinismus immer weniger und waren unter Kontrolle. Doch jetzt stehen wir in Europa vor der Herausforderung, diesen Erfolg zu bewahren und dem Negativtrend mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen.“ Neben der abnehmenden Verwendung von jodiertem Speisesalz in der Lebensmittelherstellung tragen auch veränderte Lebensstile und Ernährungstrends – darunter der häufigere Verzehr von verarbeiteten Lebensmitteln und eine pflanzenbasierte Ernährung – dazu bei, dass wichtige Jodquellen wie Seefisch und Meeresfrüchte aber auch Milch- und Milchprodukte seltener oder gar nicht mehr auf dem Speiseplan stehen. „Daher ist es umso wichtiger, dass die Verwendung von Jodsalz bei der Produktion von Lebensmitteln, zum Beispiel von Backwaren, wieder steigt und Produkte wie pflanzliche Milchalternativen in die Anreicherungsstrategien einbezogen werden, wie es seit kurzem auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung fordert“, konstatiert Gärtner. „Nur so lässt sich perspektivisch eine ausreichende Jodversorgung sicherstellen.“
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Quellen:- WHO/IGN Report: Prevention and control of iodine deficiency in the WHO European Region adapting to changes in diet and lifestyle, https://iris.who.int/handle/10665/376863 (Stand: 28.06.2024)
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. – Presseinformation „DGE veröffentlicht neues Positionspapier zu veganer Ernährung“, (Stand 13.06.2024)
Arbeitskreis Jodmangel e.V.
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