Stellungnahme zur Notwendikeit und zu Kritik der Jodmangelprophylaxe mit Jodsalz




Mit Jodsalz und ausgewogener Ernährung konsequent, effektiv und sicher gegen den Jodmangel

Weltweit sind zwischen 750 Millionen und 1 Milliarde Menschen vom Jodmangel betroffen, allein in West- und Zentraleuropa sind es mehr als 380 Millionen, so die Angaben der WHO (Weltgesundheitsorganisation). Ursachen sind die Jodarmut üblicher Lebensmittel und ein zu geringer Verzehr von Seefisch, der als einziges Lebensmittel von Natur aus jodreich ist.

Jod ist lebensnotwendig für die Bildung der Schilddrüsenhormone und damit essentiell für einen normalen Stoffwechsel. Im Jodmangel ist die Schilddrüsenfunktion gestört, zudem entwickelt sich ein Kropf. In Deutschland leiden 30-40% der Erwachsenen an einem Jodmangelkropf (Struma) mit vielfältigen und schwerwiegenden Auswirkungen für Gesundheit und Leistungsvermögen. Gefährdet sind aber auch Kinder. Ein mütterlicher – auch „milder“ – Jodmangel in der Schwangerschaft kann die Entwicklung und Intelligenz des Kindes beeinflussen und in schwerer Ausprägung zu erhöhtem Risiko für Fehlgeburten oder zu angeborenen Anomalien führen.

Die Notwendigkeit der Jodmangelvorbeugung ist unbestritten. Mittel der Wahl ist die Verwendung von Jodsalz zur Speisenzubereitung und für die Lebensmittelverarbeitung, um die Jodarmut des Nahrungsangebots „auszugleichen“. Für dieses Prophylaxekonzept besteht ein weltweiter Konsens. Vereinte Nationen, UNICEF, WHO, ICCIDD und andere Fachgesellschaften¹ treten mit Nachdruck für die Umsetzung der Jodmangelprophylaxe mit Jodsalz ein. Erfahrungen aus vielen Ländern belegen die Effektivität, Nachhaltigkeit und gesundheitliche Unbedenklichkeit dieser

Präventionsmaßnahme. Musterbeispiel ist die Schweiz, wo es Jodsalz seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts gibt und durch Jodmangel bedingte Gesundheitsstörungen inzwischen seit Jahrzehnten nahezu unbekannt sind.

Jodsalz steht den Verbrauchern in Deutschland seit 1959 zur Verfügung; seit 1989 kann Jodsalz auch in allen Bereichen der Lebensmittelverarbeitung und des Speisenangebots (Gemeinschaftsverpflegung, Gastronomie) verwendet werden. Seitdem hat sich die Versorgungslage erheblich verbessert („Jod-Monitoring“ 1996). Die mittlere Aufnahme bei Erwachsenen beträgt 110-120µg Jod/ Tag). Somit besteht noch eine Versorgungslücke von etwa 30%, bei Schwangeren und Stillenden von 50%. Erfreulich ist die Perspektive bei den Kindern. So tritt der Neugeborenenkropf nicht mehr auf, und auch bei 6-10-jährigen Schulkindern ist regional von ausgeglichener Versorgung auszugehen (gemessen an Jodzufuhr, Jodharnausscheidung, Schilddrüsengröße). Diese wichtigen und ermutigenden Signale zeigen, dass auch in Deutschland das Prophylaxekonzept mit Jodsalz „greift“ und konsequent fortgesetzt werden muss.

Ungeachtet dieser positiven Entwicklungen gibt es mitunter Kritik an der Jodsalzverwendung. Das kann im Einzelfall zur ungerechtfertigten Verunsicherung von Verbraucher/innen und Patienten/innen führen. Ein Problem besteht darin, dass nicht zwischen ernährungsphysiologisch notwenigen Jodmengen im Mikrogrammbereich (180-200µg/Tag für Erwachsene, 40-200µg für Kinder und Jugendliche) und hochdosierten Gaben beispielsweise mit jodhaltigen Medikamenten (Milligramm- oder Gramm-Mengen) unterschieden wird. So ist Deutschland kein Land mit einer „Jod-Hochdosierung“ wie behauptet wird. Nach den Ergebnissen des Jod-Monitorings besteht vielmehr für den größten Teil der Bevölkerung weiterhin noch ein Jodmangel Grad I (WHO-Standard). Eine Hoch- oder Überdosierung von Jod ist durch Jodsalz und durch Lebensmittel mit Jodsalz nicht möglich. Dies gilt auch, wenn alle zu verarbeitenden Lebensmittel mit Jodsalz hergestellt würden. Im Übrigen zeigen Erfahrungen aus Ländern wie Japan, dass eine sehr hohe Jodaufnahme mit der Nahrung (ca. 1000µg/Tag) nur durch besondere Ernährungsgewohnheiten wie exzessiven Verzehr von Seefisch, Meerestieren und von Algen- und Tangprodukten möglich ist (Ausnahme Süßwasseralgen).

Falsch ist auch, Beschwerden wie Akne und Allergien auf Nahrungsjod zurückzuführen. Eine sog. Jod-Akne kann bei disponierten Menschen nur mit sehr hohen Joddosierungen im Milligramm- und Grammbereich ausgelöst werden. Dabei spielen bestimmte Medikamente (z.B. Augentropfen, Husten-, Rachentherapeutika Herz- und Bronchialmittel u.ä.) oder Algen- und Tangpräparate eine Rolle. Problematisch ist u.U. auch ein unangepasst hoher Konsum von jodhaltigen Heilwässern.

Allergien sind Fehlreaktionen des Immunsystems, die durch eine Bildung von Antikörpern (körpereigene Abwehrstoffe) auf verschiedenste großmolekulare Verbindungen (sog. Antigene) ausgelöst werden. Jod in üblichen Lebensmitteln oder in Jodsalz ist kleinmolekular, löst demnach keine Antikörperfreisetzung und damit keine Allergie aus. Der Begriff „Jod-Allergie“ wird vielmehr für Unverträglichkeiten von Medizinprodukten wie jodhaltige Röntgenkontrastmittel oder Hautdesinfektionsmittel verwendet. Dies sind jodhaltige Substanzen mit sehr hoher Molekülgröße. Voraussetzung für eine solche Allergie ist eine entsprechende Veranlagung des Immunsystems.

Bei der seltenen Hauterkrankung Dermatitis herpetiformis Duhring, einer Autoimmunerkrankung (Fehlsteuerung des Immunsystems), kann eine Überempfindlichkeit gegenüber Halogenen wie Brom oder Jod gegeben sein. Auslösend wirkt aber nicht das Jod in der Nahrung, sondern eine sehr hohe Jodzufuhr mit Medikamenten oder Röntgenkontrastmitteln.

Besonders problematisch ist es, Jod als Krebsauslöser darzustellen. Nach internationaler Einschätzung steht eine dem Bedarf entsprechende Jodzufuhr nicht im Zusammenhang mit Schilddrüsenkrebs². Potenzielle Risiken sind aber zum einen eine exzessive Jodaufnahme (durch Verzehr von Algen-, Tangpräparate, überreichlich Seefisch und Meerestiere) und zum anderen – und weitaus häufiger – ein chronischer Jodmangel. Beim Schilddrüsenkrebs handelt es sich um eine weltweit relativ seltene Krebsart. Etwa 1-2% aller Krebsleiden betreffen die Schilddrüse. Frauen erkranken etwa 2-3mal häufiger als Männer. Neben ionisierenden Strahlen (z.B. Röntgenstrahlung) spielen insbesondere bei jungen Frauen offensichtlich hormonelle Einflüsse (Östrogene, häufige Schwangerschaften und Fehlgeburten) ebenso eine Rolle wie eine jodarme Ernährung und die damit verbundene Kropfbildung (Problem der Zellvermehrung!). So belegen beispielsweise Untersuchungen aus der Schweiz, Italien, Schweden und China ein vermehrtes Auftreten von aggressiven Formen des Schilddrüsenkrebs in Perioden des Jodmangels. Auch für Brustkrebs könnte der Jodmangel ein möglicher Risikofaktor sein. So wird Brustkrebs häufiger bei Frauen mit langjährigem Jodmangel festgestellt. Für Magenkrebs wird kein Zusammenhang mit dem Nahrungsjod hergestellt.

Chronisch exzessive Jodzufuhren (>10 bzw. >18mg/Tag) werden als Risikofaktor für Schilddrüsenkrebserkrankungen in Regionen Japans, auf Island und Hawaii diskutiert. Solche Jodmengen können durch Algen- und Tangprodukte und sehr reichlichen Seefischverzehr, aber keinesfalls durch Jodsalz aufgenommen werden. 10mg Jod sind in 500 g Jodsalz (= 1 Haushaltspaket) enthalten, bereits 20g Speisesalz können gesundheitlich Probleme bereiten und 200 g Salz wirken beim Menschen tödlich.

Der World Cancer Research Fund und das Amerikanische Institut für Krebsforschung fordern zur Vorbeugung von Schilddrüsenkrebs eine ausreichende Jodversorgung ggf. unter Einbeziehung einer Nahrungsergänzung mit Jod.

Wissenschaftlich nicht nachvollziehbar ist außerdem ein angeblicher Zusammenhang von Jodzufuhr mit der Nahrung und der Auslösung bzw. Reaktivierung einer Tuberkulose². Falsch ist auch die Behauptung, dass Tuberkulose-Erkrankungen in Deutschland zunehmen. Tatsächlich ist die Tuberkulose in den letzten 10 Jahren stetig rückläufig³ , d.h. es gibt keine parallele Entwicklung zur Besserversorgung mit Jod in Deutschland.

Verunsicherungen gibt es auch hinsichtlich der „Verträglichkeit“ bzw. „Nützlichkeit“ von Jod bzw. Jodsalz bei Schilddrüsenerkrankungen.

Kommt es infolge des Jodmangels zur Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), wird diese mit Schilddrüsenhormonen behandelt. Gleichzeitig muss aber eine adäquate Jodmenge zugeführt werden, um die Jodvorräte der Schilddrüse aufzufüllen, die Hormoneigensynthese wieder zu normalisieren und einer Kropfbildung vorzubeugen. Jodmangelbedingte Hypothyreosen sind in Deutschland inzwischen aufgrund der deutlich verbesserten Jodversorgung jedoch relativ selten, könnten aber dann wieder zum Problem werden, wenn aus unbegründeten Ängsten auf jodreiche Lebensmittel (Seefisch, Meerestiere, Milch u. Milchprodukte), auf Jodsalz und Lebensmittel mit Jodsalz verzichtet wird.

Besteht ein Jodmangelkropf (Struma) bei normaler Schilddrüsenfunktion (Euthyreose), ist ebenfalls eine ausreichende Jodzufuhr erforderlich, um die Schilddrüsenhormonbildung zu ermöglichen.

Auch bei bestehendem Kropf mit Hypothyreose sollte zusätzlich zur Schilddrüsenhormongabe eine ausreichende Jodversorgung erfolgen. Erfahrungen zeigen, dass dies die notwendige Hormongabe verringert („Spareffekt“) und dass sich dadurch vor allem bei jungen Menschen die Struma verkleinert (im Mittel um 30%).

Als Spätfolge eines Jodmangels bilden sich in der Schilddrüse vielfach „heiße“ Knoten. Das sind Bezirke mit potenziell überschießender Hormonbildung, sog. autonome Adenome (Schilddrüsen-Autonomie). Je nach Ausprägung und Aktivität der heißen Knoten kann eine Hyperthyreose bei normaler Jodaufnahme (100-200µg/Tag) vorliegen (eher selten) oder sie wird nur bei sehr hoher Jodzufuhr (>500µg/Tag) ausgelöst. Letzteres ist insbesondere durch jodhaltige Medikamente möglich. Strumen mit autonomen Knoten werden mit Radiojodtherapie oder aber operativ behandelt. Falsch ist die Vorstellung, dass eine Schilddrüsenüberfunktion durch eine jodarme Ernährung „geheilt“ werden kann. Patienten mit Schilddrüsen-Autonomie müssen nicht auf Jodsalz oder auf Lebensmittel mit Jodsalz verzichten. Vor allem nach einer Radiojodtherapie ist eine ausreichende Jodzufuhr mit der Nahrung notwendig. Der behandelnde Arzt wird aber stets abwägen, ob individuell jodhaltige Medikamente verordnet oder ggf. jodhaltige Röntgenkontrastmittel für eine Untersuchung eingesetzt werden können, ob also sehr hohe Jodmengen verträglich sind.

Eine andere Form von Schilddrüsenüberfunktion ist die des Typs Morbus Basedow. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Kennzeichnend ist die Bildung von Antikörpern, die die Schilddrüse zu verstärkter Aktivität stimulieren. Wenn eine unbekannte bzw. unbehandelte Basedow-Erkrankung vorliegt, kann eine Hyperthyreose -ähnlich wie bei den vorgenannten Schilddrüsen-Autonomien – durch eine erhöhte Jodaufnahme ausgelöst werden. Dies wird von den Betroffenen zunächst verständlicher Weise als belastend empfunden. Tatsächlich ist aber eine dadurch frühzeitig erkannte Basedow-Hyperthyreose zumeist erfolgreicher zu behandeln, und die Gefahr einer manifesten Überfunktion wird so verringert. Eine jodarme Ernährung kann nicht zur Heilung des Morbus Basedow beitragen. An Morbus Basedow Erkrankte dürfen Jodsalz und damit hergestellte Lebensmittel verzehren.

Eine weitere Autoimmunerkrankung der Schilddrüse ist die Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis). Dabei kommt es zur Bildung von Antikörpern, die sich gegen das Schilddrüsengewebe richten, wodurch ein Untergang von aktivem Schilddrüsengewebe und eine Funktionseinschränkung (Hypothyreose) verursacht werden. Chronisch hohe Dosen von Jod (>500µg/Tag) können bei Menschen mit entsprechend erblicher Veranlagung (und nur bei solchen!) zur frühzeitigen Auslösung der Autoimmunthyreoiditis führen. Eine bedarfsgerechte Jodzufuhr löst diese Krankheit nicht aus. Nach aktuellsten Untersuchungen stellt eine unzureichende Selenversorgung ein Risiko für die Manifestation einer Hashimoto-Thyreoiditis dar, außerdem kann durch Verbesserung der Selenzufuhr der Verlauf der Erkrankung günstig beeinflusst werden.

Fazit:
Jod ist für eine vollwertige und gesund erhaltende Ernährung unverzichtbar. In Abwägung aller Gesichtspunkte gibt es keine medizinische Indikation für eine jodarme Ernährung, und es bestehen keine Zweifel an der Sicherheit der Jodmangelprophylaxe mit Jodsalz. Die Beseitigung des Jodmangels muss in Deutschland konsequent weiter verfolgt werden. Vor allem der jüngeren Generation können so durch Jodmangel bedingte Gesundheitsprobleme erspart werden. Aus Ländern mit erfolgreicher Bekämpfung des Jodmangels wie der Schweiz ist bekannt, dass insbesondere die Spätfolgen, d.h. die hohe Zahl von Strumen mit autonomen Knoten und Schilddrüsenautonomien, nahezu ausgemerzt werden können. Dies wird in der Zukunft nicht zuletzt auch zu einer Kostenentlastung des Gesundheitswesens führen.

Ein erfolgreiches Vorgehen gegen den bevölkerungsweiten Jodmangel beruht auf vier Säulen:

Ausgewogene Ernährung mit 1-2 Seefischmahlzeiten pro Woche und täglichem Konsum von Milch und Milchprodukten

Verwendung von Jodsalz im Privathaushalt, in der Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie

Bevorzugte Verwendung von Produkten, die mit Jodsalz hergestellt sind, wie Brot, Wurst, Käse, (Halb)-Fertigprodukten im Privathaushalt, in der Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie

Bei höherem Bedarf in Schwangerschaft, Stillzeit und ggf. Pubertät nach Rücksprache mit dem Arzt gezielter Einsatz von Jodidtabletten.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE e.V.), info 11/2003

¹ International Council for Control of Iodine Deficiency Disorders (ICCIDD), Amerikanische (ATA) und europäische (ETA) Schilddrüsen-Gesellschaft, Sektion Schilddrüse der deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), = Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv))
² World Cancer Research Fund, American Institute for Cancer Research: Food, Nutrition and the Prevention of cancer: a global Perspective. Washington DC. 1997 BfR: Jodiertes Kochsalz und Reaktivierung einer Tuberkulose, Beantwortung einer Anfrage an das BfR vom 14.2.2003
³ Bundesministerium für Gesundheit: Daten des Gesundheitswesens 2001