Kaum noch Kröpfe bei deutschen Kindern

Jodversorgung deutlich verbessert - Ärzte fordern zu weiteren Maßnahmen auf

Den Kröpfen in Deutschland geht es langsam an den Kragen. Die Versorgung der Bevölkerung mit dem lebenswichtigen Spurenelement Jod hat sich in den letzten Jahren spürbar verbessert. Erwachsene nehmen durchschnittlich etwa zwei Drittel der täglich empfohlenen Zufuhrmenge an Jod auf. Schüler sind gebietsweise sogar schon optimal mit Jod versorgt, zumindest konnten jodmangelbedingte Schilddrüsenkrankheiten bei Kindern erfolgreich zurückgedrängt werden. Entwarnung kann nach Ansicht des Arbeitskreises Jodmangel aber noch nicht gegeben werden.

Die bisher erzielten Erfolge bei der Verbesserung der Jodversorgung sind hauptsächlich auf die Verwendung von Jodsalz zurückzuführen. Somit hat sich diese seit mehr als zwanzig Jahren empfohlene Prophylaxemaßnahme wie in vielen anderen Ländern auch in Deutschland als äußerst wirksam erwiesen, wie der Sprecher des Arbeitskreises Jodmangel, Professor Dr. Dr. Peter C. Scriba von der Universitätsklinik München anlässlich einer Pressekonferenz in Berlin ausdrücklich betonte. Hoffnung weckt vor allem die bessere Jodversorgung bei Kindern. So zeigen regionale Studien eine deutliche verbesserte bis ausreichende Versorgung der Kinder mit Jod, wenngleich diese Ergebnisse nicht repräsentativ sind. Erwachsene und ältere Menschen sind jedoch weiterhin von den Folgen des früher sehr ausgeprägten Jodmangels betroffen. Kropfoperationen (ca. 100.000 jährlich) und Schilddrüsenmedikamente tragen deshalb mit etwa einer Milliarde Euro erheblich zu den Kosten der Krankenversorgung in Deutschland bei.

Von erfreulichen Verbesserungen der Jodversorgung konnte auch der Kinderarzt Professor Dr. Volker Hesse von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Lindenhof, Berlin, berichten, der seit Jahren die Berliner Neugeborenenstudie betreut. Danach waren 2004 etwa 45 Prozent der Neugeborenen in Berlin optimal mit Jod versorgt, während es 1991 nur ca. sieben Prozent und 2001 etwas über 28 Prozent waren. Professor Hesse führt diese Verbesserungen bei der Jodversorgung von Neugeborenen vor allem auf die zunehmende Verwendung von Jodsalz in Haushalten und der Lebensmittelwirtschaft, aber auch auf die Einnahme von Jodtabletten und/oder jodhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln während der Schwangerschaft zurück.

Hesse und weitere Experten des Arbeitskreises Jodmangel appellieren jedoch zugleich auch an die Schwangeren, keine „Doppelmedikation“ von Jod vorzunehmen. So sollten bei der jetzigen Grundversorgung mit Jod über die Nahrung und einer ergänzenden Jodprophylaxe mit Jodtabletten nicht zusätzlich noch jodhaltige Nahrungsergänzungsmittel oder Algenpräparate eingenommen werden.

Doch noch längst nicht überall ist die Versorgung von Schwangeren mit Jod so gut wie in Berlin, denn nach wie vor zählen Schwangere und Stillende, die einen um etwa 25 Prozent erhöhten Jodbedarf haben, zu den Risikogruppen. Professor Dr. Rainer Hehrmann vom
Diakonie-Klinikum Stuttgart empfiehlt deshalb Schwangeren und Stillenden, zur Grundversorgung über die Nahrung zusätzlich 100 bis 150 Mikrogramm Jod pro Tag in Tablettenform zu sich zu nehmen. Bereits eine sehr milde Schilddrüsenunterfunktion der werdenden Mutter, die beispielsweise durch Jodmangel ausgelöst wurde, könne die geistige und körperliche Entwicklung des Kindes erheblich beeinträchtigen und später auch zu einem niedrigeren Intelligenzquotient führen.

Ein Problem stellen Hehrmann zufolge die aktuellen Verordnungsrichtlinien für Jodpräparate dar, die apothekenpflichtig, aber nicht verschreibungsfähig sind. Eine Verordnung von Jodtabletten ist derzeit nur in Ausnahmefällen zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen möglich. Für Prophylaxezwecke dürfen Jodtabletten generell nicht verordnet werden. Da jedoch die Kosten für Jodtabletten niedrig sind und im Bereich der Zuzahlung durch den Patienten liegen, fordert Professor Hehrmann, dass in Zukunft zumindest eine gezielte Verordnung von Jodtabletten für Schwangere und Kinder aus sozial schwachen Risikofamilien möglich wird.

Eine Überversorgung mit Jod ist nicht zu befürchten, wie Professor Hehrmann und Professor Dr. Rolf Großklaus vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin, einstimmig betonen. Die für Deutschland als sicher erachtete maximale Höchstmenge von 500 Mikrogramm Jod wird nämlich auch dann nicht überschritten, wenn Jod über verschiedene Quellen aufgenommen wird. Alle vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchung belegen zudem, dass unerwünschte Nebeneffekte nur bei sehr hohen Joddosen weit über 500 bis 1000 Mikrogramm pro Tag vorkommen wie sie mit Röntgenkontrastmitteln, Desinfektionsmitteln und bestimmten Medikamenten aufgenommen werden und nicht bei den physiologischen und optimalen Jodmengen von maximal 300 Mikrogramm, wie sie mit der Nahrung zugeführt werden. Auch von einer „Jodschwemme“, die von Jodkritikern gelegentlich genannt wird, kann den Experten zufolge keine Rede sein, denn nach wie vor fehlt in der Nahrung etwa ein Drittel der empfohlenen Zufuhrmenge an Jod, das es noch auszugleichen gilt.

Um die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geforderte Nachhaltigkeit der Prävention von Jodmangelkrankheiten in Deutschland und Europa zu sichern, ist deshalb weiterhin eine konsequente universelle Verwendung von Jodsalz in der gesamten Nahrungskette erforderlich, so Großklaus. Folglich müssen die bewährten Prophylaxemaßnahmen beibehalten und kontinuierlich fortgeführt werden.

Um das von der WHO vorgegebene Ziel zur Optimierung der Jodversorgung in Deutschland zu erreichen, sollte in mehr als 90 Prozent der Privathaushalte Jodsalz verwendet werden (derzeit ca. 80 Prozent.) Außerdem gilt es, den Jodsalzanteil in der Lebensmittelindustrie von jetzt 30 auf 70 Prozent zu erhöhen. Professor Scriba forderte darüber hinaus eine verstärkte Aufklärung, die Beibehaltung der Jodsalzprophylaxe im Zuge der geplanten neuen EU-Verordnungen und bundesweite Erhebungen zur Ermittlung des Jodversorgungsstatus alle fünf Jahre. An die Verbraucher appellierte er, weiterhin Jodsalz oder Jodsalz mit Fluorid im Haushalt zu verwenden und beim Einkauf mit Jodsalz hergestellte Lebensmittel zu bevorzugen.

– AKJ –
Groß-Gerau, Dezember 2004

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