Fortbildungsveranstaltung des AKJ e.V.

Update Jod: Fehlinformationen aufklären und Prophylaxe verbessern

Frankfurt, 26. November 2015 (akj) – Anlässlich einer Fortbildungsveranstaltung auf der Aachener Diätetik Fortbildung im September 2015 (1) diskutierten wissenschaftliche Beiratsmitglieder des Arbeitskreises Jodmangel e.V. (AKJ) die derzeitige Jodversorgung in Deutschland. Dass sie immer noch nicht ausreichend ist, zeigten die Experten anhand der aktuellen Ergebnisse der DEGS-Studie („Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“) (2).

Dies kann erhebliche gesundheitliche Auswirkungen haben: Wer nur unzureichende Mengen an Jod zu sich nimmt, hat ein höheres Risiko für jodmangelbedingte Schilddrüsenerkrankungen. Insbesondere Risikogruppen wie junge Frauen und Schwangere sollten deshalb ihre Jodbilanz genau im Blick behalten. Es sei zudem wichtig, so die Referenten, die Bedeutung von Jod bei verschiedenen Krankheitsbildern neu einzuordnen. Hier herrsche häufig Verunsicherung, was die Prävention von Erkrankungen wie Hashimoto erschwere.

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Ist Deutschland jodüberversorgt?

Statt der Gefahr einer Überversorgung besteht vielmehr die einer Unterversorgung – so das AKJ-Beiratsmitglied Michael Thamm vom Epidemiologischen Zentrallabor des Robert Koch-Instituts (RKI), Berlin. Er verwies auf die aktuelle, groß angelegte DEGS-Studie (2). Darin analysierten Wissenschaftler die Urinproben von etwa 7.000 repräsentativ untersuchten Probanden und konnten so die mittlere Jodzufuhr für Deutschland abschätzen. „Sie liegt bei 125 µg pro Tag und damit etwa 16 Prozent unterhalb der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Tageszufuhr“, sagte Thamm. Deutschland sei somit zwar kein explizites Jodmangelgebiet mehr, da die Jodversorgung für den Bevölkerungsdurchschnitt beinahe akzeptabel sei. Jedoch zeige DEGS auch, dass in allen Altersgruppen etwa jeder Dritte eine tägliche Jodaufnahme unterhalb des mittleren geschätzten Bedarfs von 95 µg Jod pro Tag habe. „Damit ist ein signifikanter Bevölkerungsanteil nach wie vor einem erhöhten Risiko für jodmangelbedingte Erkrankungen ausgesetzt. Die bisherigen Bestrebungen für eine verbesserte Jodversorgung dürfen in keinem Fall nachlassen“, appellierte das AKJ-Beiratsmitglied. „Die wichtigste Basisprophylaxe in Deutschland ist die Jodidanreicherung von Speisesalz. Im Haushalt sollte ausschließlich damit gekocht werden.“ Dies alleine reiche aber nicht aus. Denn mehr als 80 Prozent des täglich konsumierten Salzes stamme aus Produkten wie Brot, Fertiggerichten, Wurst und Käse. Verbraucher sollten deshalb, so der Epidemiologe weiter, beim Einkauf solche Produkte bevorzugen, die mit Jodsalz hergestellt wurden. Ob in einem Lebensmittel herkömmliches oder jodiertes Salz stecke, verrate ein Blick auf die Zutatenliste. „Hervorragende Jodquelle sind außerdem Milch- und Milchprodukte. Auch Seefisch ist jodreich. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme trägt er aber nur mäßig zur Gesamtjodaufnahme der Bevölkerung bei – in Deutschland sind es weniger als 10 Prozent“, schloss Thamm.

Jod – ein Pathogen?

Der AKJ-Vorsitzende Prof. Dr. Roland Gärtner widmete sich Jod-Mythen, nach denen das Spurenelement verschiedene Erkrankungen der Schilddrüse begünstigt. „Entgegen vereinzelter Befürchtungen steht eine jodreiche Ernährung oder eine Jodid-Supplementierung von 100 bis 200 µg pro Tag weder in einem Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto Thyreoiditis oder Morbus Basedow noch mit ande-ren Fehlfunktionen der Schilddrüse“, so der Internist und Endokrinologe von der Universität München. Vielmehr habe er zeigen können, dass Hashimoto bei Personen mit Jodmangel, die gleichzeitig auch unter einem Selenmangel litten, häufiger auftritt (3).
Bei bereits bestehenden Schilddrüsenerkrankungen sollte ebenfalls nicht vollständig auf das Spurenelement verzichtet werden. „Insbesondere Hashimoto-Patienten wird in der Praxis häufig geraten, sich streng jodarm zu ernähren und beispielsweise Jodsalz oder Seefisch zu meiden. Viele der Betroffenen leiden deshalb unter einem Joddefizit.“ Gärtner stellte richtig, dass die Jodaufnahme im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung weder für Hashimoto-Patienten noch für Personen mit Morbus Basedow Probleme bereite. Lediglich von einer hohen Zufuhr von mehr als 500 µg täglich – beispielsweise über Supplemente – sollten sie absehen.

Verzicht auf Jod während der Schwangerschaft?

Besonders kritisch sind Jod-Fehlinformationen während Entwicklungsphasen: „Eine Schwangerschaft beispielsweise bedeutet Stress für die Schilddrüse, weil der Bedarf an Schilddrüsenhormonen deutlich zunimmt. Wird dann bewusst oder unbewusst nicht ausreichend Jod zugeführt, kann es zu Vergrößerungen oder Knotenbildung in der mütterlichen Schilddrüse kommen (4). Auch Komplikationen wie ein erhöhtes Risiko von Fehlgeburten oder eine beeinträchtigte körperliche und geistige Entwicklung des Kindes sind damit assoziiert“, fuhr Gärtner fort. Es sei deshalb unbedingt notwendig, in Gegenden mit leichtem Jodmangel wie Deutschland bereits vor und weiter während der Schwangerschaft zusätzlich zu einer jodreichen Ernährung 150 µg Jodid pro Tag zu supplementieren. Dies gelte weiter während der Stillzeit, da der Säugling von der Jodversorgung über die Muttermilch abhängig ist. „Auch bei Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto ist eine entsprechende Supplementation unerlässlich – jedoch erst ab der 12. Schwangerschaftswoche. Dann ist die fötale Schilddrüse auf Jod angewiesen, da sie mit der eigenen Hormonproduktion startet. Diese Jodideinnahme hat, entgegen verbreiteter Vorurteile, keinen Einfluss auf die Autoimmunerkrankung der Mutter (5,6)“, klärte der Schilddrüsenexperte auf. Eine Ausnahme bilde die Hyperthyreose der Mutter, zum Beispiel bei Morbus Basedow: Hier müsse nach Rücksprache mit dem Arzt entsprechend der Schilddrüsenfunktion weniger Jodid supplementiert werden.

Folgen einer unzureichenden Jodaufnahme

„Wenn die Schilddrüse nicht genügend Jod erhält, vergrößern sich die Zellen des Organs, um das wenige Jod für die Schilddrüsenhormonproduktion besonders effektiv zu nutzen. Dadurch können sich eine Struma, d. h. eine Vergrößerung der Schilddrüse,  und in Folge eine Schilddrüsenunterfunktion oder heiße beziehungsweise kalte Knoten entwickeln“, warnte Gärtner. „Dass in einem nicht unerheblichen Teil der deutschen Bevölkerung nach wie vor ein Jodmangel herrscht, hat kürzlich die DEGS-Studie gezeigt. Entsprechend ist es für mich auch nicht verwunderlich, dass die Prävalenz an Strumen in Deutschland mit etwa 30 Prozent verhältnismäßig hoch ist. Eine ausreichende Jodversorgung besteht laut WHO-Klassifikation erst ab einer Prävalenz von unter 5 Prozent“, sagte der AKJ-Vorsitzende. „Etwa 120.000 Deutsche werden jährlich an der Schilddrüse operiert. Weitere 60.000 müssen sich einer Radiojod-Therapie unterziehen, mit der beispielsweise heiße Knoten therapiert werden (7).“ Oft folge auf die Behandlungen eine lebenslange medikamentöse Therapie. Ein Großteil davon ließe sich sicher, so Gärtner, durch eine ausreichende Jodzufuhr vermeiden.

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Quellen:

(1) Symposium “Update Schilddrüse und Ernährung – die DEGS-Bilanz: Jodversorgung und Jodmangelprophylaxe in Deutschland“ des Arbeitskreises Jodmangel e.V., 18. September 2015, 23. Aachener Diätetik Fortbildung 2015 des Verbandes für Ernährung und Diätetik e.V., Aachen
(2) Johner SA et al.: Examination of iodine status in the German population: an example for methodological pitfalls of the current approach of iodine status assessment Is measurement of urinary iodine concentration consistently reliable to assess iodine status? Eur J Nutr, DOI 10.1007/s00394-015-0941-y
(3) Gärtner R et al: Plasma selenium, iodine excretion and prevalence of autoimmune thyroiditis in omnivores, vegetarians and vegans. Endocine Society 2011 (Abstract)
(4) Zimmermann MB: The impact of iodised salt or iodine supplements on iodine status during pregnancy, lactation and infancy. Public Health Nutrition 2007 10(12A), 1584-1595
(5) Antonangeli L et al.: Comparison of two different doses of iodide in the prevention of gestational goiter in marginal iodine deficiency: a longitudinal study. Eur J En-docrinol. 2002 Jul;147(1):29-34.
(6) Nøhr SB et al.: Postpartum thyroid dysfunction in pregnant thyroid peroxidase antibody-positive women living in an area with mild to moderate iodine deficiency: is iodine supplementation safe? J Clin Endocrinol Metab. 2000 Sep;85(9):3191-8.
(7) Papillon-Studie (Schilddrüsen-Initiative Papillon)


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